Thüringen im ADFC-Fahrradklima-Test

Wie zufrieden sind Radfahrende mit dem Fahrradklima? Dieser Frage geht der ADFC-Fahrradklima-Test nach, der mit Rekordzahlen sein zehnjähriges Jubiläum begeht. Nun liegen die Ergebnisse vor. Für Thüringen fallen sie weitgehend ernüchternd aus.

27 Fragen zur Fahrradfreundlichkeit von Orten, 21 Fragen zur Bedeutung verschiedener Aspekte des Radfahrens, fünf Zusatzfragen zum Radfahren im ländlichen Raum – im Rahmen des Fahrradklima-Tests 2022 sollten Radfahrer*innen in Deutschland die Fahrradfreundlichkeit ihrer Orte auf einer Skala von 1 (sehr positiv) bis 6 (sehr negativ) beurteilen. Etwa 245.000 Menschen – und damit mehr als je zuvor - folgten der Einladung zur Teilnahme. Bundesweit gingen 1.114 Orte in die Auswertung ein. Im Mittel bewerteten die Befragten das Fahrradklima vor Ort mit einem klaren „Unbefriedigend“ (3,96).

In Thüringen beteiligten sich 3.869 Menschen (und damit 20% mehr als 2020) am ADFC-Fahrradklima-Test. 20 Orte (und damit 40% mehr als 2020) erreichten die für die statistische Auswertung notwendigen Teilnehmendenzahlen (Arnstadt, Auma-Weidatal, Eisenach, Erfurt, Gera, Gotha, Greußen, Ilmenau, Jena, Meiningen, Mühlhausen, Nordhausen, Rudolstadt, Saalfeld, Sömmerda, Suhl, Waltershausen, Weida, Weimar, Zeulenroda-Triebes). 13 dieser Orte waren bereits 2020 dabei. Verbesserungen in ihrer Bewertung sind nicht zu verzeichnen; in sechs Orten hat die Zufriedenheit mit dem Radfahrklima sogar z.T. deutlich abgenommen:

„Auf Euphorie folgt Ernüchterung, auf Aufbruchstimmung Frustration. Es wird viel von der Radverkehrsförderung und der Förderung des ländlichen Raums gesprochen, aber in der Wahrnehmung der Betroffenen ändert sich nichts", so Thilo Braun, Vorsitzender  ADFC-Landesverbandes Thüringen.

Thüringer Orte weiterhin im unteren Mittelfeld

In der aktuellen Umfrage liegen mehr als die Hälfte der Thüringer Orte im Bundesvergleich im unteren Mittelfeld oder darunter. Im Vergleich besonders schlecht bewertet wurden wieder Gotha (4,69 I Rang 444/447) und Nordhausen (4,61 I Rang 439/447) sowie die neu hinzugekommenen Orte Auma-Weidatal (4,82 I Rang 472/474), Waltershausen (4,74 I Rang 469/474), Zeulenroda-Triebes (4,53 I Rang 455/474) und Greußen (4,50 I Rang 452/474). Positive Ausnahmen bilden wie schon beim letzten Mal Sömmerda mit einer allerdings recht uneinheitlichen Bewertung (3,10 I Rang 14/474) und Ilmenau (3,67 I Rang 82/447) sowie Arnstadt (3,53 I Rang 82/447).

Im Vergleich zum vorhergehenden Fahrradklima-Test 2020 haben sich Arnstadt, Ilmenau und Sömmerda aber verschlechtert; auch in Suhl und Nordhausen ist das Fahrradklima schlechter geworden. Keiner der Thüringer Orte konnte seine Bewertung signifikant verbessern.

Thilo Braun: „Mancherorts gibt es durchaus gute Ansätze, aber die Realisierung dauert viel zu lange. Und andernorts verfolgen Kommunen weiterhin eine autozentrierte Verkehrsplanung. Das sorgt natürlich für Unzufriedenheit.“

Der ADFC appelliert hier an die Kommunen, der Anerkennung des Fahrrads als vollwertiges Verkehrsmittel auch in der Praxis Rechnung zu tragen, die Förderprogramme des Bundes zu nutzen, Schnellausbaumethoden (z.B. Protected Bike Lanes, Fahrradstraßen) einzusetzen und die Bürger*innen bei der Planung von guten Radnetzen mit an den Tisch zu holen.

Gut erreichbare Ortszentren, schlechte Führung an Baustellen

Positiv: Wie 2020 wurden auch 2022 die gute Erreichbarkeit der Ortszentren und die Tatsache, dass Jung und Alt mit dem Fahrrad unterwegs sind, in vielen Thüringer Orten hervorgehoben. Im Bundesvergleich wurde vielerorts auch die Mitnahme von Fahrrädern in öffentlichen Verkehrsmitteln sowie die Oberfläche der Radwege eher positiv bewertet.

Negativ: Als größte Ärgernisse benannten die Thüringer Teilnehmer*innen wieder insbesondere die mangelhafte Führung an Baustellen (v.a. Jena, Gera, Weimar, Arnstadt, Saalfeld, Eisenach, Meiningen, Mühlhausen/Thüringen, Nordhausen, Gotha, Greußen) sowie die nicht auf Radfahrende abgestimmten Ampelschaltungen (v.a. Jena, Saalfeld, Eisenach, Meiningen, Nordhausen, Gotha, Waltershausen) und die mangelnde Radverkehrsförderung in letzter Zeit (v.a. Gera, Suhl, Weida, Greußen, Zeulenroda-Triebes, Waltershausen, Auma-Weidatal). Im Bundesvergleich schnitten auch die Wegweisung für Radfahrende und Werbemaßnahmen für den Radverkehr besonders schlecht ab. Öffentliche Fahrräder fehlen in den meisten Orten.

Teils positiv – teils negativ: Deutliche Unterschiede zwischen den Bewertungen in den verschiedenen Thüringer Orten gibt es hinsichtlich der Öffnung von Einbahnstraßen in Gegenrichtung für den Radverkehr. Während diese Öffnung mancherorts zunehmend umgesetzt und positiv wahrgenommen wird (Erfurt, Jena, Weimar, Arnstadt, Ilmenau, Saalfeld, Rudolstadt, Eisenach, Nordhausen, Gotha), bleiben Einbahnstraßen in anderen Orten weitgehend geschlossen, was im Bundesvergleich zu einer negativen Bewertung führt (Meiningen, Mühlhausen, Suhl, Weida, Greußen, Zeulenroda-Triebes, Auma-Weidatal).

Prioritäten der Thüringer Radfahrer*innen

Befragt nach der Wichtigkeit verschiedener Aspekte für das Radfahren stimmen die Befragten in fast allen Thüringer Orten wie bereits 2020 dahingehend überein, dass dem Sicherheitsgefühl für Radfahrer*innen, der Akzeptanz von Radfahrer*innen als Verkehrsteilnehmer*innen, der Konfliktfreiheit zwischen Rad- und Autoverkehr sowie der Hindernisfreiheit auf Radwegen der höchste Stellenwert zukommt.

Zusatzbefragung Radfahren im ländlichen Raum

Fünf Zusatzfragen zum Thema Radfahren im ländlichen Raum betrafen a) Direktheit und Qualität der Verbindungen zu Nachbarorten, b) die Verkehrssicherheit von Verbindungen zu Nachbarorten, c) die soziale Sicherheit von Verbindungen zu Nachbarorten, d) Fahrradabstellmöglichkeiten am nächstgelegenen Bahnhof und e) die Möglichkeit der eigenständigen Mobilität von Kindern und Jugendlichen.

In Thüringen belegen diesbezüglich insbesondere Gotha, Greußen, Auma-Weidatal, Waltershausen und Zeulenroda-Triebes in ihren Ortsgrößenklassen im Bundesvergleich die (fast) letzten Plätze. Hier wurden alle Aspekte ländlicher Fahrradmobilität als sehr kritisch gesehen (Noten: 4,5-5,7), wobei im Mittel die Verkehrssicherheit und Fahrradabstellmöglichkeiten an Bahnhöfen die schlechteste Bewertung erhielten.

Thilo Braun: „In den Kommentaren der Teilnehmer*innen spiegeln sich die Defizite eindrucksvoll wider. Fast alle bemängeln das Fehlen von Radinfrastruktur. Radfahrende müssen folglich Landstraßen nutzen und erleben hier oft wenig Rücksicht seitens der Autofahrenden. Damit erledigt sich dann auch die eigenständige Mobilität von Kindern und Jugendlichen, deren Eltern sie aus nachvollziehbaren Gründen nicht den Risiken auf der Landstraße aussetzen wollen.“

Gestiegene Beteiligung

Die Beteiligung am Fahrradklima-Test liegt in Thüringen unter dem Bundesdurchschnitt, ist aber – wie auch bundesweit – im Vergleich zu 2020 erneut deutlich gestiegen. Dies weist auf die wachsende Bedeutung des Radfahrens und eine wachsende Wahrnehmung radverkehrspolitischer Themen hin.

Die höchste Steigerung der Teilnehmendenzahl konnten Arnstadt und Ilmenau verzeichnen. Deutlich rückläufig waren die Teilnahmen hingegen in Gera, Suhl, Mühlhausen, Eisenach, Jena und Erfurt. Das ist z.T. auf parallel laufende andere radverkehrsbezogene Umfragen zurückzuführen, die stärker im Fokus standen.

Ganz neu bzw. nach einer Pause wieder dabei waren diesmal Greußen, Saalfeld, Rudolstadt, Meiningen, Zeulenroda-Triebes, Waltershausen und Auma-Weidatal. Letzteres erzielte als Newcomer im Fahrradklima-Test mit 180 Teilnehmer*innen pro 10.000 Einwohner*innen sofort eine auffallend hohe Teilnahmequote (Rang 9/1.114). Hier hatte eine Radweginitiative, die sich für einen Radweg zwischen Auma-Weidatal und Zeulenroda-Triebes einsetzt, den Fahrradklima-Test intensiv beworben, um auch auf diesem Wege auf das Anliegen und die Belange des Radverkehrs vor Ort aufmerksam zu machen.

Leutenberg konnte die erforderliche Teilnehmendenzahl nicht wieder erreichen. Zella-Mehlis und Altenburg verpassten dieses Ziel nur um wenige Teilnahmen.

Größte Umfrage dieser Art weltweit, wachsende Relevanz, Teilnahmebedingungen

Der ADFC-Fahrradklima-Test ist eine der weltweit größten Umfragen zur Zufriedenheit von Radfahrer*innen mit den Radverkehrsbedingungen vor Ort. Er wird alle zwei Jahre mit Unterstützung des Bundesverkehrsministeriums durchgeführt. Der erste Test fand 1988 statt; weitere Tests gab es 1991, 2003, 2005, 2012, 2014, 2016, 2018, 2020 und 2022. Der aktuelle Fahrradklima-Test ist somit der zehnte seiner Art. Die Befragung erfolgte zwischen September und November 2022 bundesweit mittels Online- und Papierfragebögen. Die Zahl der Teilnehmer*innen wie auch der bewerteten Orte ist weiter gewachsen. Dies weist auf die zunehmende Relevanz von Radfahren und Fahrradfreundlichkeit hin.

Damit fundierte Ergebnisse erzielt werden können, müssen für den Fahrradklima-Test je nach Ortsgröße mindestens 50, 75 oder 100 Abstimmungsergebnisse vorliegen. Die Umfrage ist offen für alle, richtet sich jedoch speziell an Radfahrende und ist deshalb nicht repräsentativ für die Bevölkerung. Die Ergebnisse des Tests haben durch die breite Bürgerbeteiligung jedoch hohe Aussagekraft und können Kommunen helfen, das Angebot für Radfahrende gezielt zu verbessern. 

Weitere Informationen: www.fahrradklima-test.adfc.de


https://thueringen.adfc.de/artikel/thueringen-im-adfc-fahrradklima-test

Häufige Fragen von Alltagsfahrer*innen

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