Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Landesverband Thüringen e. V.

ADFC-Fahrradklima-Test: Thüringer Orte weiter im unteren Mittelfeld

Zum elften Mal legt der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) die Ergebnisse des vom Bundesministerium für Verkehr geförderten ADFC-Fahrradklima-Tests vor. Bundesweit haben 213.000 Bürgerinnen und Bürger die Radverkehrsbedingungen vor Ort bewertet.

Fahrradklimatest 2024
Fahrradklimatest 2024 © ADFC | April Agentur

„Wie ist Radfahren bei Dir vor Ort?“ – Mit dem Fahrradklima-Test erhebt der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) im Zwei-Jahres-Abstand die Zufriedenheit der Radfahrenden mit den Radverkehrsbedingungen in ihren Wohn- und Arbeitsorten. Im Herbst 2024 nahmen deutschlandweit 213.000 Menschen an der großen Umfrage teil; 1.047 Orte kamen in die Wertung. Im Mittel wurde das Fahrradklima deutschlandweit mit 3,92 als klar „Unbefriedigend“ eingeschätzt.

In Thüringen beteiligten sich 3.461 Menschen am ADFC-Fahrradklima-Test. 19 Orte erreichten die für die statistische Auswertung notwendigen Teilnehmendenzahlen (Altenburg, Arnstadt, Auma-Weidatal, Eisenach, Erfurt, Gera, Gotha, Harth-Pöllnitz, Ilmenau, Jena, Meiningen, Mühlhausen, Nordhausen, Rudolstadt, Saalfeld, Suhl, Waltershausen, Weida, Weimar). 17 dieser Orte waren bereits 2022 dabei. 

Thüringer Orte weiter überwiegend im unteren Mittelfeld

In ihrer Bewertung liegen 14 der 19 Thüringer Orte im Bundesvergleich im unteren Mittelfeld oder darunter. Im Vergleich besonders schlecht bewertet wurden in der Ortsgrößenklasse 20.000-50.000 Einwohner Altenburg (4,77 I Rang 428/429), Gotha (4,65 I Rang 425/429) und Nordhausen (4,47 I Rang 407/429) und in der Ortsgrößenklasse <20.000 Einwohner Harth-Pöllnitz (4,96 I Rang: 423/423),  Auma-Weidatal (4,71 I Rang 417/423) und Waltershausen (4,42 I Rang 401/423). Vergleichsweise positiv stehen wieder Ilmenau (3,60 I Rang 67/429) und Arnstadt (3,64 I Rang 84/429) da. Im Vergleich zu 2022 sind leichte Verbesserungen der Bewertung in Waltershausen (4,7 > 4,4), Rudolstadt (4,1 > 3,9), Meiningen (4,3 > 4,0) und Weida (4,4 > 4,2) zu verzeichnen. In den übrigen Orten ähneln die Bewertungen denen von 2022. 

„Es ist frustrierend, wie langsam die Verbesserungen für den Radverkehr vorankommen. Das Thüringer Radverkehrskonzept sieht vor, den Radverkehrsanteil hierzulande bis 2030 auf 15% zu erhöhen. Davon sind wir weit entfernt, und wenn wir dieses Ziel auch nur annähernd erreichen wollen, sind deutlich mehr Anstrengungen auf allen Ebenen erforderlich. Es müssen flächendeckend neue Radwege gebaut werden, insbesondere zwischen den Orten im ländlich geprägten Thüringen, um hier Menschen das Radfahren überhaupt zu ermöglichen. Daneben gibt es viele relativ einfache Maßnahmen, die das Fahrradklima verbessern und Menschen den Umstieg aufs Rad erleichtern können, wie die Öffnung von Einbahnstraßen, die Ausweitung von Tempo-30-Bereichen, Falschparkerkontrollen oder mehr Sensibilität bei der Führung an Baustellen", so Thilo Braun, Vorsitzender ADFC-Landesverbandes Thüringen.

Ein Verkehrsmittel für alle, aber mangelhafte Rahmenbedingungen

Positiv: In den meisten der 19 Thüringer Orte wurden die Tatsache, dass Jung und Alt mit dem Fahrrad unterwegs sind, die gute Erreichbarkeit der Ortszentren und die Möglichkeit, mit dem Rad zügig voranzukommen, positiv hervorgehoben. Auch die Öffnung von Einbahnstraßen für den Radverkehr in Gegenrichtung zählten in mehr als der Hälfte der Orte zu den „Tops“. 

Negativ: Als größte Ärgernisse benannten die Thüringer Teilnehmer*innen in fast allen Orten wieder insbesondere die mangelhafte Führung an Baustellen sowie die nicht auf Radfahrende abgestimmten Ampelschaltungen. Vielerorts wurde die mangelnde Breite der fürs Radfahren zur Verfügung stehenden Wege bemängelt – Konflikte mit Kfz- und Fußverkehr sind so vorprogrammiert. Öffentliche Fahrräder fehlen in den meisten Orten. 

Besorgniserregendes Miteinander im Verkehr

Ein kritisches Thema ist das Miteinander im Verkehr, dem fünf Zusatzfragen gewidmet waren. In allen teilnehmenden 19 Thüringer Orten wurde dieses als eher schlecht (3,8-5,0) bewertet. Statt Rücksichtnahme herrscht Aggressivität vor. Häufig wird zu eng überholt (4,2-5,3). Das Handeln von Politik und Verwaltung orientiert sich nach Auffassung der meisten Befragten zu wenig an dem Grundsatz der Vision Zero (keine Toten und Schwerverletzten im Straßenverkehr; 3,9-5,6), und es wird zu wenig für ein rücksichtsvolles Miteinander geworben (3,6-5,3). Vergleichsweise am besten bewertet wurde das Miteinander von Radfahrenden (2,7-4,0). 

Thilo Braun: „Die Ergebnisse der Zusatzbefragung sind besorgniserregend. Rücksichtnahme ist das erste Gebot der StVO und grundlegend dafür, dass die Zahl der Toten und Schwerverletzten im Straßenverkehr zurückgeht. Infrastruktur kann rücksichtsvolles Verhalten befördern oder behindern. So birgt es z.B. einfach Konfliktpotential, wenn verschiedene Verkehrsteilnehmer mit unterschiedlichen Bedürfnissen auf engen Wegen gemeinsam unterwegs sein sollen. Gleichzeitig würde es erheblich zur allgemeinen Sicherheit beitragen, wenn wir alle etwas sensibler miteinander umgehen würden. Die Einhaltung des Mindestüberholabstands ist hier ein gutes Beispiel: Mindestens 1,5 m sind vorgeschrieben – und was wir erleben, sind Abstände von oft deutlich weniger als einem Meter! Die schon seit 2019 geltende Regelung ist offenbar vielen nicht bekannt, und es fehlt an Bewusstsein für die aus ihrer Missachtung resultierenden Gefahr. Aus diesem Grund haben wir im Juni eine thüringenweite Überholabstandskampagne gestartet, von der wir uns einen Aufklärungsschub und eine sichtbare Verbesserung erhoffen.“

Prioritäten der Thüringer Radfahrer*innen

Online wurde zusätzlich die Bedeutung verschiedener Aspekte für das Radfahren erfragt. Über alle Orte hinweg erwiesen sich hier die Akzeptanz von Radfahrenden als Verkehrsteilnehmer*innen und das Sicherheitsgefühl beim Radfahren als besonders wichtig, dicht gefolgt von der Konfliktfreiheit zwischen Rad- und Autoverkehr sowie der Hindernisfreiheit auf Radwegen. Auch der zügigen und direkten Erreichbarkeit von Zielen, der Breite und Oberflächenqualität von Wegen für den Radverkehr, dem Winterdienst auf Radwegen und der Konfliktfreiheit zwischen Rad- und Fußverkehr wurde eine hohe Priorität eingeräumt. 

Beteiligung

19 Thüringer Orte haben 2024 die für die Auswertung nötige Teilnahmenzahl von 100 (in Erfurt) bzw. 50 (in allen anderen Orten) erreicht (2022: 20). In den meisten Orten war die Interviewanzahl ähnlich hoch wie 2022. In Jena, Suhl und Nordhausen hat sie deutlich zu-, in Ilmenau, Arnstadt und Gotha hingegen abgenommen. Sömmerda, Zeulenroda-Triebes und Greußen konnten die erforderliche Teilnehmendenzahl diesmal nicht erreichen. Neu bzw. nach einer Pause wieder dabei sind Altenburg und Harth-Pöllnitz im Landkreis Greiz. Letzteres erzielte als Newcomer im Fahrradklima-Test mit 625 Teilnehmer*innen pro 10.000 Einwohner*innen die im Bundesvergleich in dieser Ortsklassengröße höchste Teilnahmequote (Rang 1/1.047). Hintergrund ist die intensive Bewerbung des Fahrradklima-Tests durch eine dort aktive Bürgerinitiative, die seit fast 100 Jahren auf eine Ortsumgehung (Burkersdorf, Friesnitz, Großebersdorf) wartet und damit auch auf den straßenbegleitenden Radweg von Weida bis nach Lederhose bzw. Porstendorf. 

Einordnung der Thüringer Städte im Bundesvergleich (bestes / schlechtestes Ergebnis)

  • 25 Städte mit 200.000-500.000 Einwohnern (2022: 26): Münster (2,97) – Erfurt (4,21 = Rang 19) – Krefeld (4,51)
  • 42 Städte mit 100.000-200.000 Einwohnern (2022: 40): Erlangen (3,13) – Jena (3,99 = Rang 21) – Hagen (4,67)
  • 113 Städte mit 50.000-100.000 Einwohnern (2022: 113): Tübingen (2,77) – Weimar (4,04 = Rang 61) – Gera (4,20 = Rang 76) – Lüdenscheid (4,94)
  • 429 Städte mit 20.000-50.000 Einwohnern (2022: 447): Baunatal (2,53) – Ilmenau (3,60 = Rang 67) – Arnstadt (3,64 = Rang 84) – Saalfeld / Saale  (3,87 = Rang 168) – Rudolstadt (3,91 = Rag 191) - Meiningen (4,04 = Rang 258) - Eisenach (4,22 = Rang 340) – Suhl (4,32 = Rang 374) – Mühlhausen (4,33 = Rang 367) - Nordhausen (4,47 = Rang 407) – Gotha (4,65 = Rang 425) – Altenburg (4,77 = Rang 428) - Hof (4,84)
  • 423 Städte mit <20.000 Einwohnern (2022: 474): Wettringen (1,55) – Weida (4,19 = Rang 356) – Waltershausen (4,42 = Rang 401) – Auma-Weidatal (4,71 = Rang 417) – Harth-Pöllnitz (4,96 = Rang 423)

Größte Umfrage dieser Art weltweit, Teilnahmebedingungen

Der ADFC-Fahrradklima-Test ist eine der weltweit größten Umfragen zur Zufriedenheit von Radfahrenden mit den Radverkehrsbedingungen vor Ort. Er wird alle zwei Jahre mit Unterstützung des Bundesverkehrsministeriums durchgeführt. Der erste Test fand 1988 statt; weitere Tests gab es 1991, 2003, 2005, 2012, 2014, 2016, 2018, 2020, 2022 und 2024. Der aktuelle Fahrradklima-Test ist somit der elfte seiner Art. Die Befragung umfasst jeweils 27 über die Jahre wiederkehrende Fragen zur Fahrradfreundlichkeit von Orten, 21 Fragen zur Bedeutung verschiedener Aspekte des Radfahrens und fünf Zusatzfragen, die 2024 das Miteinander im Straßenverkehr betrafen. Die Bewertung erfolgt auf einer Skala von 1 (sehr positiv) bis 6 (sehr negativ).

Die aktuelle Befragung erfolgte zwischen September und November 2024 bundesweit mittels Online- und Papierfragebögen. Damit fundierte Ergebnisse erzielt werden können, müssen für den Fahrradklima-Test je nach Ortsgröße mindestens 50, 75 oder 100 Abstimmungsergebnisse vorliegen. Die Umfrage ist offen für alle, richtet sich jedoch speziell an Radfahrende und ist deshalb nicht repräsentativ für die Bevölkerung. Die Ergebnisse des Tests haben durch die breite Bürgerbeteiligung jedoch hohe Aussagekraft und können Kommunen helfen, das Angebot für Radfahrende gezielt zu verbessern. 

Die detaillierten Ergebnisse des ADFC-Fahrradklima-Tests, das Städteranking und alle Städteprofile gibt es auf www.fkt.adfc.de. Postings aus ganz Deutschland finden Sie auf Social Media unter dem Hashtag #fkt24. 

https://thueringen.adfc.de/neuigkeit/adfc-fahrradklima-test-thueringer-orte-weiter-im-unteren-mittelfeld-1

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