ADFC Thüringen e.V.: 30 Jahre Einsatz für den Radverkehr in Thüringen
„Das Fahrrad ist ein Verkehrsmittel ohne Zukunft“, schrieb Hermann Saitz in den 1980ern. Dass es anders kam, ist auch dem Engagement der vielen Aktiven im ADFC Thüringen e.V. zu verdanken, der am 25. Januar 2022 sein 30jähriges Jubiläum begeht.
Volkmar Schlisio, erster Vorsitzender und heutiger Schatzmeister des ADFC Thüringen ist begeisterter Radfahrer: Ob im Alltag oder im Urlaub, auf dem Stadtfahrrad oder dem Liegetandem – die meisten seiner Wege legt er mit dem Rad zurück. Das ist heute so, und das war auch zu DDR-Zeiten schon so – in einer Zeit also, in der Radfahren kaum verbreitet und radverkehrspolitische Arbeit allenfalls versteckt unter dem Dach der Kirche möglich war. Immerhin gab es aber auch damals schon einzelne Radfahr-Events, wie die 1974 ins Leben gerufene Burgenfahrt oder die seit 1981 jährlich stattfindende kirchlich organisierte Aktion „Mobil ohne Auto“, die z.T. Hunderte von Radfahrerinnen und Radfahrern zusammenbrachten.
Ein Infostand bei der Burgenfahrt 1990 war es auch, der Volkmar Schlisio und seine Familie das erste Mal mit dem ADFC in Berührung brachte, und schnell wussten sie: „Das ist der Verein, der genau für uns passt.“ Sie begannen, sich in Erfurt in einer Aktivengruppe zu engagieren; parallel entwickelten sich ähnliche Initiativen in Eisenach, Gera, Jena und Ilmenau; allen war klar: „Es bewegt sich ganz viel, alles ist im Umbruch, auch der Verkehr, und wenn wir etwas für den Radverkehr erreichen wollen, dann müssen wir jetzt anfangen.“ Die ersten Thüringer ADFC-Kreisverbände entstanden, und um diese zu vernetzen und zugleich auch auf Landesebene verkehrspolitisch wirksam zu werden, wurde schließlich die Gründung eines übergreifenden Landesverbandes beschlossen. 24 Radbewegte unterzeichneten am 25. Januar 1992 die Gründungsurkunde.
Die nun folgenden Aktivitäten des Vereins waren geprägt von der allseits herrschenden Aufbruchstimmung und den Ideen der jungen Menschen, die sich im Verein wiederfanden. Ein kleiner Raum im Verkehrsamt diente als Büro; hier wurden Pressemitteilungen geschrieben, Ehrenamtliche motiviert, Beratungen rund ums Rad angeboten. Später im Grünen Haus in der Espachstraße gab es auch eine Selbsthilfewerkstatt und eine Verleihstation für Lastenräder und Kinderfahrradanhänger, die damals noch ganz neu waren und erstmal ausprobiert werden wollten. ADFCler recherchierten Material für die Erstellung von Fahrradkarten, gaben Fahrradbroschüren heraus und übernahmen die Organisation der „Tour de Natur“. Einige Kreisverbände begannen, Politikerradtouren durchzuführen und sich in die kommunalen Radverkehrsarbeitskreise einzubringen.
Inzwischen ist der ADFC vielerorts in Thüringen als kompetenter Ansprechpartner gefragt, Radtouren gehören ebenso zum Programm wie Fahrradcodiertermine und Vorträge, in Jena ist eine Radfahrschule entstanden, der ADFC hat die drei bisherigen Thüringer Radentscheide maßgeblich unterstützt und ist Mitorganisator der Critical und Kidical Masses, die in mehreren Orten regelmäßig stattfinden. Auf Landesebene setzt sich der ADFC über die regionalen Planungsgemeinschaften, über Anhörungen zu Landesgesetzen wie dem Landesstraßengesetz, dem Thüringer Waldgesetz und der Landesbauordnung oder über die Beteiligung am Thüringer Arbeitskreis Radverkehr für die Stärkung des Fahrrades als Verkehrsmittel ein.
Als besonders großen Erfolg des Vereins wertet Volkmar Schlisio die Ernennung des ersten Fahrradbeauftragten im Verkehrsministerium. Dort einen Ansprechpartner bzw. eine Ansprechpartnerin zu haben, ist enorm hilfreich, und auf diesem Wege wurde u.a. die kostenlose Mitnahme von Fahrrädern im Regionalverkehr der Bahn erreicht. Als ähnlich großer Erfolg sind radtouristische Projekte zu werten, die der ADFC Thüringen mit angeschoben und begleitet hat, allen voran die Entstehung der Thüringer Städtekette als beliebter touristischer Radfernweg.
Dreißig Jahre ist der Thüringer ADFC alt – und wo wird er in dreißig Jahren stehen? Volkmar Schlisio überlegt: „Ich habe schon mal gedacht: Das höchste Ziel des ADFC wäre, sich überflüssig zu machen, weil die Bedingungen fürs Rad so gut sind. Aber wenn ich realistisch bin, wird das wohl nicht passieren, weil es immer etwas gibt, was noch besser werden kann“. Und natürlich auch, weil der ADFC ein breites Service-Angebot hat – von der Pannenhilfe über die Radwegezertifizierung bis hin zur Rechtsberatung -, und weil er gemeinschaftsstiftend wirkt und es gerade in der heutigen Zeit gut tut, gemeinsam unterwegs zu sein.
Ein herzliches Dankeschön geht an dieser Stelle an alle Aktiven, die den ADFC Thüringen zu dem machen, was er ist, und an alle Unterstützerinnen und Unterstützer des Vereins. Die Jubiläumsfeier wird im Herbst im Zusammenhang mit der Landesversammlung stattfinden.
Grundlage der Presseinformation ist ein Interview mit Volkmar Schlisio, Angelika Link und Frieda Nagler. Dieses finden Sie in voller Länge hier.