Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Landesverband Thüringen e. V.

Fahrräder sind in der Stadt unterwegs

#MehrPlatzfürsRad © Pixabay

Radentscheide in Thüringen

56 Fuß- und Radentscheide gibt es bisher in Deutschland (Stand: Nov. 2023), viele weitere sind in der Gründung, alle sind sich einig: Fuß- und Radverkehrsbedingungen müssen besser werden. Auch Erfurt, Jena und Weimar haben sich auf den Weg gemacht.

Weniger Feinstaub- und CO2-Ausstoß, weniger Schmutz, weniger Lärm – und mehr Platz für das, was wichtig ist im Leben: Zunehmend mehr Bürgerinnen und Bürger wünschen sich eine Verkehrswende. Ausdruck hierfür sind nicht zuletzt die deutschlandweit 56 Fuß- und Radentscheide, für die bisher mehr als 1,2 Millionen Unterschriften (Stand: November 2023) gesammelt wurden – Tendenz steigend.

Was ist eigentlich ein Radentscheid?

Ein Radentscheid ist ein Bürgerbegehren und somit ein Instrument der direkten Demokratie auf kommunaler Ebene. Mit einem Bürgerbegehren können Bürgerinnen und Bürger einen Antrag auf einen Bürgerentscheid zu einem Thema stellen, das sie als wichtig erachten - im Falle des Radentscheids also das Thema "Radverkehr".
In Thüringen wird die Durchführung eines Bürgerbegehrens durch das Thüringer Gesetz zur direkten Demokratie auf kommunaler Ebene (ThürEBBG) und das Thüringer Kommunalwahlgesetz (ThürKWG) geregelt.
Auf Landes- bzw. Bundesebene wird ein solches Verfahren als Volksbegehren bezeichnet. In Deutschland ist ein Volksbegehren auf Bundesebene nur für den speziellen Fall einer Gebietsneugliederung nach Art. 29 Abs. 4 bis 6 GG möglich. Auf Landesebene variieren die Regelungen stark, weshalb in manchen Bundesländern immer wieder Volksbegehren zur Artikulierung politischer Anliegen genutzt werden, während sie in anderen Bundesländern bisher noch nie erfolgreich waren. In Thüringen gab es bisher drei erfolgreiche Volksbegehren (Stand: 21. Dezember 2021, Quelle)

Wie läuft ein Radentscheid ab?

Für einen Radentscheid muss ein Antrag auf Zulassung bei der Stadt bzw. Gemeinde gestellt werden. Nach der Zulassung ist innerhalb einer festgelegten Frist eine bestimmte Anzahl an Unterschriften zu sammeln. Die genauen Verfahrensweisen unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland. In Thüringen ist für Bürgerbegehren ein Unterschriftenquorum von 4,5-7% innerhalb von vier Monaten nötig.
Wurde die notwendige Unterschriftenzahl erreicht, so wird der Radentscheid auf formale Zulässigkeit geprüft. Anschließend berät die kommunale Vertretung darüber und entscheidet innerhalb einer vorgegebenen Frist über seine Annahme oder Ablehnung.
Im Falle einer Ablehnung kommt es zum Bürgerentscheid. Hierbei sind alle Wahlberechtigten innerhalb einer Kommune dazu aufgerufen, über die Forderungen des Radentscheids abzustimmen. Als Erfolgsbedingung für Bürgerentscheide gilt in allen Bundesländern außer Hamburg ein Zustimmungsquorum, d.h. für die erfolgreiche Annahme ist neben einer einfachen Mehrheit auch die Zustimmung eines bestimmten Anteils aller Wahlberechtigten nötig. In Thüringen liegt dieses Quorum bei 10-20%.
Bürgerentscheide sind verbindlich und einem gleichlautenden Beschluss der gewählten kommunalen Vertretung gleichgestellt.

Woher kommt die Idee des Radentscheids?

Vorbild für die vielerorts initiierten Radentscheide in Deutschland ist die Initiative "Volksentscheid Fahrrad", die sich in Berlin für eine Verkehrswende und die Schaffung eines Gesetzes zur Förderung des Radverkehrs („Radgesetz“) einsetzt. 2016 überreichte sie dem Berliner Senat den Antrag auf ein Volksbegehren für eine „sichere und komfortable Radinfrastruktur“. Der Senat übernahm die Forderungen weitgehend, weshalb die Initiative auf die Durchführung des Volksbegehrens verzichtete. Im Ergebnis wurde im Juli 2018 das Berliner Mobilitätsgesetz beschlossen.

Wie steht es um Thüringer Radentscheide?

In Thüringen gibt es bisher drei erfolgreiche Radentscheide - in Erfurt, Jena und Weimar.

Radentscheid Erfurt

Der erste Radentscheid, der in Thüringen auf den Weg gebracht wurde, ist der Radentscheid Erfurt. Die Initiatoren gründeten 2020 den Radentscheid Erfurt n.e.V. und begannen im August desselben Jahres mit der Unterschriftensammlung. Statt der erforderlichen 7.000 Unterschriften konnten bis zum Dezember 2021 12.700 Unterschriften gesammelt und dem Oberbürgermeister Andreas Bausewein übergeben werden. Im Januar 2021 wurde der Erfolg des Bürgerbegehrens amtlich bestätigt. In einem Kompromissvorschlag versuchte der Stadtrat im Mai 2021 die Forderungen des Radentscheids unter Haushaltsvorbehalt zu stellen. Der Radentscheid n.e.V stimmte diesem Vorschlag nicht zu. In einem zweiten Anlauf nahm der Stadtrat im Juni 2021 den Radentscheid schließlich in der ursprünglichen Fassung an. Nun geht es darum, die Umsetzung der Ziele zu begleiten und wo nötig die Einhaltung der Zusagen einzufordern.

Ziele des Erfurter Radentscheides:

  • durchgängiges Radverkehrsnetz
  • sichere Radwege an Hauptverkehrsstraßen
  • sichere Kreuzungen und Einmündungen
  • barriere- und hindernisfreie Rad- und Gehwege
  • ausreichende Abstellmöglichkeiten für Fahrräder.
     

Radentscheid Jena

In Jena trafen sich erstmals im Januar 2021 Radentscheid-Interessierte. Das Bündnis wuchs kontuinuierlich, die Ziele wurden ausgearbeitet und Öffentlichkeitsarbeit betrieben. Dem Antrag auf Zulassung des Bürgerbegehrens im Mai 2021 folgte Ende Juni der Beginn der Unterschriftensammlung. Parallel erarbeiteten der Radentscheid Jena und die Stadtverwaltung gemeinsam eine Beschlussvorlage „Bessere Bedingungen für den Radverkehr in Jena“. Kurz vor Ende der Sammlungsfrist im Oktober 2021 nahm der Stadtrat diese an. Die Beschlussvorlage sieht vor, dass die Kernziele des Radentscheid Jena mit hoher Priorität ins Radverkehrskonzept der Stadt aufgenommen werden. Außerdem wird ein finanzielles Fundament gelegt, angefangen bei 22,50€ pro Jahr und Einwohner*in ab 2023/2024 bis zu 45€ pro Jahr und Einwohner*in bis 2029/2030.

Ziele des Jenaer Radentscheides:

  • durchgängiges Radverkehrsnetz
  • sichere Radwege an Hauptverkehrsstraßen
  • barriere- und hindernisfreie Rad- und Gehwege
  • sichere Kreuzungen und Einmündungens
  • sichere Schulwege
  • ausreichende Abstellmöglichkeiten für Fahrräder
  • Öffentlichkeitsarbeit
  • Transparenz und Umsetzung.
     

 

Radentscheid Weimar

In Weimar kamen im April 2021 eine bunt gemischte Gruppe zum Auftakttreffen für einen Radentscheid zusammen. In den folgenden Monaten wuchs die Initiative um viele hochmotivierte Menschen. Gemeinsam wurden die Forderungen erarbeitet und die Öffentlichkeit informiert. Im Juni konnte das Bündnis den Zulassungsantrag stellen, im August begann die Unterschriftensammlung, und am 20. Dezember konnten mehr als 5.500 Unterschriften an Oberbürgermeister Peter Kleine und die Beigeordnete Claudia Kolb übergeben werden. Im März 2022 wurde der Gesprächsfaden mit der Stadt aufgenommen, und es folgten viele, viele Verhandlungsrunden. Einer Ablehnung des Radentscheids im September 2022 folgte im März 2023 dann doch die Zustimmung des Stadtrats.

Ziele des Radentscheides Weimar:

  • durchgängig befahrbares Radwegenetz
  • sichere Radwege
  • radverkehrsfreundliche Knotenpunkte
  • barriere- und hindernisfreie Rad- und Gehwege
  • ausreichende Abstellmöglichkeiten für Fahrräder
  • Umsetzungsmanagement
  • Flächengerechtigkeit.
     

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